CHANCE ODER RISIKO FÜR DEN BIODIVERSITÄTSSCHUTZ?
Ein Thesenpapier zur Umsetzung des § 40 BNatSchG
Von Eckhard Jedicke, Ulrike Aufderheide, Erwin Bergmeier, Oliver Betz, Stefan Brunzel, Philipp Eckerter, Anita Kirmer, Martin Klatt, Manfred Kraft, Andreas Lukas, Sandra Mann, Karsten Mody, Julia Schenkenberger, Hans Schwenninger, Josef Settele, Johannes L.M. Steidle, Sabine Tischew, Erik Welk, Volkmar Wolters und Ralf Worm
Erschienen in Naturschutz und Landschaftsplanung 54 (04), 2022, DOI: 10.1399/NuL.2022.04.01
Gemäß § 40 BNatSchG dürfen seit März 2020 bei Einsaaten und Anpflanzungen nur Pflanzen in der freien Natur ausgebracht werden, die „ihren genetischen Ursprung in dem betreffenden Gebiet haben“. Der Beitrag diskutiert Möglichkeiten zur Umsetzung dieser Regelung im Hinblick auf die Verwendung von Wildpflanzensaatgut (unter Ausklammerung der Gehölze) mit besonderer Berücksichtigung faunistischer Aspekte. Er entstand aus einem Expertinnen- und Expertenworkshop mit dem Ziel, eine reflektierte interdisziplinäre Debatte zur Berücksichtigung genetischer Vielfalt anzustoßen, welche die Auswirkungen für die Naturschutzpraxis aus ganzheitlicher Sicht beleuchtet. Es wird deutlich, dass bestehende Regelungen auf großen Unsicherheiten fußen und massive Einschränkungen für die Wirksamkeit von Renaturierungen und die Erreichbarkeit übergeordneter naturschutzfachlicher Ziele mit sich bringen. Das betrifft besonders die ausgeklammerte Relevanz von Phytodiversität für das Vorkommen artenreicher Tiergemeinschaften und damit für möglichst vollständige Biozönosen sowie die Renaturierung von Biotopen. Aus der Analyse werden Lösungsmöglichkeiten abgeleitet, die dringend diskutiert werden sollten, um zielführende Regelungen für die Naturschutzpraxis zu etablieren.
Zusammenfassung
According to § 40 BNatSchG, since March 2020 only plants that “have their genetic origin in the area concerned” may be spread in the wild. This article discusses possibilities for implementing this regulation with regard to the use of wild plant seeds (excluding woody plants) with special consideration of faunistic aspects. It emerged from an expert workshop with the aim of initiating a reflective interdisciplinary debate on the consideration of genetic diversity, which sheds light on the im- plications for nature conservation practice from a holistic perspective. It became clear that existing regulations are based on great uncertainties and entail massive restrictions for the effectiveness of restoration and for the attainability of higher-level nature conservation goals. This applies in particular to the excluded relevance of phytodiversity for the occurrence of numerous animal species and, thus, for species-rich ecological communities that are as complete as possible and the restoration of biotopes. Possible solutions are derived from the analysis, which should be urgently discussed in order to establish goal-oriented regulations for nature conservation practice.
Abstract
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